Das denken die Ukrainer wirklich über den Krieg
Anna (39): „Mit Sadisten und Terroristen verhandelt man nicht. Wir werden unser Territorium zurückgewinnen, auch die Krim.“ Foto: Sergey Polezhaka
Source: BILDVon: P. RONZHEIMER, V. MOISSENKO und S. POLEZHAKA (Fotos)
BILD am SONNTAG hat durch ein Umfrageinstitut in der Ukraine (Democratic Initiatives Foundation) eine repräsentative Umfrage (1025 Befragte) über den Blick der Ukrainer auf den Krieg durchführen lassen. Alle Befragten leben in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten.
Ergebnis: Die übergroße Mehrheit (90 Prozent) glaubt daran, dass ihre Armee das gesamte Gebiet der Ukraine zurückerobern kann, nur 6 Prozent glauben das nicht.
Diese Zahl ist erstaunlich, schließlich hat es seit Beginn der Gegenoffensive im Juni immer wieder Rückschläge für die ukrainischen Streitkräfte gegeben, die Geländegewinne sind bislang relativ klein.
Doch die Ukrainer sind fest entschlossen weiterzumachen: 83 Prozent der Befragten wollen eine weitere Gegenoffensive im nächsten Jahr, wenn die Ukraine in diesem Jahr nicht genügend Erfolge erzielt.
Tatsächlich hatte sowohl Präsident Wolodymyr Selenskyj (45) als auch Außenminister Dmytro Kuleba (42) bereits öffentlich gemacht, dass dies auch der Plan der Regierung ist.
Die Frage von möglichen Verhandlungen mit Russland wird in der Bevölkerung hingegen weniger entschieden abgelehnt als in der Regierung. 30 Prozent antworten auf die Frage, ob sie direkte Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland befürworten, um den Krieg zu beenden, mit Ja. 63 Prozent lehnen das ab.
Interessant: Neun Jahre nach der Annexion der Krim durch Russland würden es 40 Prozent der Ukrainer NICHT als Niederlage betrachten, wenn die Halbinsel nach dem Krieg in russischer Hand bliebe. 50 Prozent hingegen sehen das anders.
Die Spaltung bei dieser Frage ist insofern spannend, da die ukrainische Führung bislang ausgeschlossen hat, über die Krim zu verhandeln und die Rückeroberung als klares Ziel ausgerufen hat.
Trauriger Alltag in der Ukraine: der brennende Markt in Kostiantynivka (Ost-Ukraine) nach dem Einschlag einer russischen Rakete.Foto: Evgeniy Maloletka/AP
Klare Ablehnung hingegen gibt es für die Idee aus dem Umfeld der Nato, die Ukraine könne auf Teile ihres Territoriums verzichten, so Frieden schließen und dafür die Nato-Mitgliedschaft bekommen. 86 Prozent der Ukrainer lehnen das ab.
Auch der Blick Richtung Deutschland ist spannend. Die Ukrainer sind gespalten, was die Unterstützung aus Berlin angeht. 43 Prozent sind nicht zufrieden mit den bisherigen Waffenlieferungen aus Deutschland, 40 Prozent hingegen schon, 17 Prozent sind bei der Frage unentschlossen.
In Bezug auf Kanzler Olaf Scholz (65, SPD) und die Frage, ob er eine führende Position bei möglichen Verhandlungen mit Russland einnehmen sollte, ist die Meinung deutlicher: 52 Prozent sind dagegen, 28 Prozent dafür.
Und auch, wie schrecklich der Krieg in der Ukraine gewütet hat, zeigen die Daten. Die tragischste Zahl der Umfrage: 85 Prozent der Ukrainer kannten jemanden, der seit dem 24. Februar 2022 im Krieg gestorben ist.
Denis (16) und Jewgeni (15), Schüler: „Russland verstößt schon lange gegen alle Vereinbarungen. Verhandlungen sind völlig nutzlos.“Foto: Sergey Polezhaka
Larissa (60), Schneiderin: „Wir werden siegen. Für mich heißt das, dass wir uns als freie Menschen frei in unserem Land bewegen können und uns kein Besatzer vorschreibt, was wir zu tun, wohin wir zu gehen und welche Sprache wir zusprechen haben.“ Foto: Sergey Polezhaka
Jewgeni (27): „Der Krieg endet erst, wenn Russland unser Land verlässt. Wir werden weiter kämpfen müssen und wir brauchen weiter die Unterstützung unserer Verbündeten.“ Foto: Sergey Polezhaka
Angelina (26), Tätowiererin: „Wie der Krieg endet? Keine Ahnung, ich werde ihn jedenfalls nicht beenden. Klar ist nur: Es gibt nichts mit den Russen zu bereden.“ Foto: Sergey Polezhaka
Eugenia (38), Hausfrau: „Ob wir mit den Russen verhandeln sollen? Wenn die Russen unser Territorium verlassen haben, können wir das gerne tun.“ Foto: Sergey Polezhaka
Igor (28), Barkeeper: „Verhandlungen sind nur möglich, wenn die Gegenoffensive gut läuft. Russland ist ein Raubtier. Wir dürfen keine Schwäche zeigen.“ Foto: Sergey Polezhaka
Elena (64), Touristenführerin: „Alle Kriege enden mit Frieden. Verhandlungen sind das Wichtigste für den Frieden. Ich will nicht, dass unsere jungen Leute weiter auf dem Schlachtfeld sterben.“ Foto: Sergey Polezhaka
Mikhail (22), Kurier: „Ich beschäftige mich nicht mit dem Krieg. Soll sich die Regierung damit befassen. Wenn sie mich einziehen wollen, bin ich weg.“ Foto: Sergey Polezhaka
Tatjana, Touristenführerin: „Der Krieg muss auf faire Weise beendet werden. Die Ukraine ist ein souveräner Staat.“ Foto: Sergey Polezhaka
Wolodymyr (32): „Ich habe Angst davor, was nach dem Krieg kommt. Unsere Industrie ist zerstört. Viele werden auswandern, ich auch. Ich will, dass mein Sohn sicher aufwächst.“ Foto: Sergey Polezhaka
Roma (37), Küchenhilfe: „Ich glaube, der Krieg wird nächstes Jahr mit Verhandlungen enden. Alle sind müde.“ Foto: Sergey Polezhaka
Maxim (31), Verkäufer: „Die Ukraine wird den Krieg gewinnen. Ich kann nicht sagen, wann, aber ich hoffe, bald wieder ein Zivilist zu sein.“ Foto: Sergey Polezhaka
Oleksandr (61), Musiker: „Nur Gott weiß, wie der Krieg endet, aber es wird sicher nicht mit einem Sieg des Aggressors sein.“ Foto: Sergey Polezhaka
Christina (34), Verkäuferin: „Ich glaube, der Krieg wird abrupt enden – und zwar mit dem Sieg der Ukraine. Wir verteidigen, was uns gehört.“ Foto: Sergey Polezhaka